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Kohle, Klima, Katastrophen

Der nachfolgende Artikel erschien im Sommer 2018 in der lokalen Presse. Es hat sich nichts verbessert. Der Kampfstoff Glyphosat ist noch immer nicht verboten. Die Wälder brennen. Das vermüllte Meer steigt an. Die Permafrostböden tauen auf. Zwei Millionen Tier- und Pflanzenarten und alle indigenen Völker werden vom Neoliberalismus mit dem Tode bedroht. Die Welt wird derzeit von Verbrechern beherrscht und sie wird von Verbrecher-Organisationen zu einem Wüstenplaneten abgewirtschaftet. Die Regierenden verstecken sich hinter den Corona-Viren und die Sorge der Bürger um Karneval und Flugreisen trägt nicht zur Lösung der Probleme bei.

 

1) Friederike und Günter Grass

 

Während zum Beginn des Jahres die stürmische Friederike kommende Kataklysmen veranschaulichte, verharrt die weniger temperamentvolle Angela, Kanzlerin der BRD, in ihrem unerschütterlichen Gleichmut, politisches Handeln zu versagen. Im Zeichen der Raute werden Probleme, die für die Menschheit so bedrohlich werden wie ein dritter Weltkrieg, der Klimawandel, die Vernichtung lebenswichtiger Wälder, die Verseuchung der Böden und des Wassers durch kampferprobte Bayer-Monsanto-Produkte nicht nur nicht gelöst, viel mehr in unverantwortlicher Weise bagatellisiert, und Entscheidungen werden nur zu Gunsten multinationaler Konzerne getroffen.

 

Selbstredend ist stets von reiflicher Prüfung der Sachlage und analysierenden Fachgesprächen die Rede, von der Verantwortung für Kinder und Kindeskinder, von der Bewahrung der Schöpfung und wie die Floskeln politischer Rhetorik sonst noch klingen mögen. Solches Gerede erinnert an eine Komödie mit Leslie Nilson. Ein Arzt fragt die Gemahlin seines Patienten: „Den Arm Ihres Mannes können wir retten. Wohin sollen wir ihn schicken?“

 

Der Grandseigneur der englischen Geschichtsschreibung, Eric J. Hobsbawm, hat in seiner Analyse des 20. Jahrhunderts, das „Zeitalter der Extreme“ genannt, die Gefahr klar erkannt: multinationale Konzerne unterwandern den Rechtsstaat mit dem Ziel, Demokratien zu zerstören.

 

Günter Grass bringt es in seinem schönen Nachruf auf die Gebrüder Grimm zur Sprache, wenn er „die Belagerung des Bundestages durch die Mafia der Lobbyisten„ beklagt, „ wie sie Parlamentarier abhängig, käuflich, sich gefällig machen, Betrug legitimieren und die Demokratie in Verruf bringen“. „Anstelle der Sozialverpflichtung des Eigentums gibt sich Profitmaximierung als Grundwert aus. Die frei gewählten Parlamentarier fügen sich dem landesinneren wie globalen Druck des Großkapitals“.

 

2) Der Wald, das Geld und die Politik

 

Mit der Vergötzung des Geldes und der Verdinglichung aller Lebewesen einschließlich des Menschen zu einem ausschließlich ökonomischen Faktor gefährden die Parteien dieses Landes, die Merkel-Version mit ihrer bayerischen Spielart, die Kretschmann-Grünen, die Lindner-Liberalen und neoliberale Neu-Germanen mit ihrer verheerenden Einbildung, Schuldige für das Selbstverschuldete zu suchen, die Grundwerte eines Verfassungsstaates. Die Parlamente unterscheiden sich nicht mehr von den Chefetagen der Global Players. Politik wird zu einer absurden Theateraufführung, als nahezu komische Selbstparodie dargeboten von den Sozialdemokraten, die einst von Bebel bis Brandt geschichtsprägende Charakterköpfe hervorbrachten bis zur Schröderisierung der Sozialdemokratie im ausgehenden 20. Jahrhundert.

 

Als hätte Albert Schweitzers Lehre von der Ehrfurcht vor dem Leben Eingang ins politische Denken gefunden, verspricht das Dortmunder Wahlprogramm der SPD aus dem Jahre 1983, ich zitiere: Die technische Macht des Menschen über die Natur ist in einem Maße gewachsen, dass nicht allein mehr der Schutz des Menschen vor der Naturgewalt, sondern stärker noch der Schutz der Natur vor der Menschengewalt, vor der technischen Gewalt des Menschen notwendig geworden ist.“

 

Dieser Satz mag wohlwollend gemeint sein- er verrät (vermutlich ungewollt) auch die komplexe Schwierigkeit des Themas, denn die zunehmende technische Gewalt produziert Naturgewalten, die wir nur aus vergangenen Erdzeitaltern kennen- alle Ministerpräsidenten des Landes NRW von Johannes Rau bis Hannelore Kraft machten ihn zu Makulatur, als die Gewalt der Kettensägen bis heute neunzig Prozent des Hambacher Waldes vernichteten.

 

3) Hambach und die Fledermäuse

 

Der zwölftausend Jahre alte Wald, der einzige Stieleichen-Hainbuchen-Maiglöckchenwald Europas, hätte nach den europäischen Richtlinien für Flora-Fauna-Habitat-Gebiete unter Naturschutz gestellt werden müssen. Dieses Gesetz haben alle Landesregierungen missachtet und die neue Regierung wird dieses Zerstörungswerk fortsetzen und, so steht zu befürchten, sie wird im Herbst eine Eskalation der Gewalt riskieren oder gar provozieren. Seit einigen Jahren versuchen junge Menschen, die im verbliebenen Wald wohnen, mit einer bewunderungswürdigen Opferbereitschaft und der Friedfertigkeit eines Buddhisten trotz mannigfacher Drangsalierungen den Rest des Waldes zu erhalten, zumal die oben genannten FFH-Richtlinien noch immer Gültigkeit haben, aber von der Landesregierung ignoriert werden.

 

Schwarzstorch und Fischadler sind verschwunden. Gesellen von finsterer Energie versperren die Höhlen der letzten Bechsteinfledermäuse, während, als sogenannte Ausgleichsmaßnahme, im Finkenberger Bruch ein Fledermauskasten neben dem anderen angebracht wird, um den Tieren den Umzug von Hambach nach Mönchengladbach zu empfehlen.

 

Die schlechten Methoden eines schlechten Systems können mit schlechten Mitteln nicht repariert werden. Ein Umzug findet nicht statt.

 

4) Schillers Warnung

 

Es ist sattsam bekannt, dass bereits Immanuel Kant zwischen Moralität und Legitimität unterschied. Friedrich Schiller warnte, man solle den Nutzen des Staates nicht mit Gerechtigkeit gleichsetzen. Vierzehn Jahre nach Schillers Tod, im Jahre 1819, lehnte das preußische Bergbaurecht den Braunkohleabbau wegen seiner Landschaftszerstörung und wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigung der Bevölkerung ab. Die klugen Verfasser sprachen von einem „ganz versauten Betrieb“. Die Nationalsozialisten hingegen schufen 1934 mit einem „Kriegsertüchtigungsgesetz“, das von der BRD übernommen wurde, die Grundlage für den uneingeschränkten Abbau bei gleichzeitiger Entrechtung der betroffenen Bürger.

 

Das Recht hat einen Januskopf. Es gibt Gesetze, die den löblichen Versuch unternehmen, Moralität praktikabel zu machen, und es gibt Gesetze, die mit geschickter Verklausulierung Verwerfliches zu legitimieren trachten, wie die als Freihandel getarnten Sonderrechte für Konzerne oder Polizeigesetze, die Grund- und Menschenrechte aufheben. Die Parallelen zu 1933 sind nicht rein zufällig.

 

5) Die Heimat nah und fern

 

Es gibt ein Heimatministerium, aber, so setzt es die Juristerei fest, ein Recht auf Heimat gibt es nicht; es gibt, wie gerade erwähnt, ein Recht auf Zerstörung der Heimat. Ein weltweit agierendes Kapital und die Mobilität der Arbeit trägt sicher zu einer Entfremdung des Heimatbegriffes bei, dennoch, so denke ich, schätzen viele Menschen, vielleicht sogar eine Mehrheit, den Ort ihrer Herkunft oder einen Ort, der als Zuhause angesprochen wird, als Heimat. Die juristische Negierung erinnert an die Arroganz der Kolonialpolitik, die in unseren Tagen mit den brutalsten Methoden der Rohstoffgewinnung ihre Fortsetzung findet.

 

Menschen in Kolumbien und Sibirien, auch indigene oder autochthone Völker genannt, werden im Auftrag von Energiekonzernen ermordet, um ungehindert Kohle abbauen zu können. Das Gleiche gilt für Biosprit, Palmöl oder Billigfleisch. Insbesondere die Regenwälder, die für den Erhalt des jetzt bestehenden Ökosystems Erde unerlässlich sind, werden mitsamt ihren Bewohnern, ob Mensch oder Tier, niedergemetzelt. Für Indonesien schätzt der World Wildlife Fund annähernd 190000 erschossene, erstochene und erschlagene Orang-Utans.

 

Mit jeder Waldrodung, mit jedem Baum, der für Kaminholz oder Grillkohle vergeudet wird, oder dem sinnleeren Ästhetizismus moderner Landschaftsdesigner mit ihrem Wahn, das Echte durch Attrappen zu ersetzen, zum Opfer fällt, verschlechtert sich der Kohlendioxidgehalt der Erdatmosphäre.

 

Ein anderes Beispiel für den Zusammenhang von Natur- und Heimatzerstörung sind die feinen Blümchen, die zur Freude jeder Hausfrau von Lebensmittelketten preiswert angeboten werden, die aber in ihren afrikanischen Anbaugebieten die Wasservorräte aufbrauchen, der heimischen Bevölkerung die Lebensgrundlage rauben und die Menschen zum Auswandern zwingen. Die Benutzung des Wortes Negerkuss gilt als unkultiviert, das Ertrinken von Menschen mit einer dunkleren Hautfarbe im Mittelmeer ist dagegen willkommenes Kalkül. Was für ein Irrsinn und was für eine widerliche Verhöhnung von Menschen, die Opfer eines amoralischen Wirtschaftssystems werden!

 

Es paart sich die arrogante Skrupellosigkeit der Macht mit einem erschreckenden Mangel an Sensibilität und einer Ekel erregenden Dummheit.

 

6) Aristoteles und die Rheinländer

 

Die rheinischen Dörfer gehen zurück in die Zeit Karls des Großen, besiedelt war unsere Gegend lange vor der Antike. Sind demnach die Rheinländer ein indigenes Volk? Und wird nicht der Heimatbegriff, fernab von idyllischer Verklärung oder regionaler Einschränkung, zu einem global bedeutsamen Begriff der Humanökologie? Ökologie leitet sich vom griechischen Oikos her, es ist das Wort für Haus. Platons berühmtester Schüler, Aristoteles, entwickelte aus diesem Begriff eine Wissenschaft, die sich mit den Zusammenhängen in der Natur beschäftigt.

 

In unseren Tagen, die von steter Lebensbedrohung geprägt sind, hat die Ökologie den Auftrag, einen Beitrag zu leisten, um dieses Haus, sprich die Erde, zu bewahren.

 

Im kühlen Schweden brennen die Wälder und die ersten Menschen sind an der Hitze gestorben. Wer noch immer den Beschwichtigungsmärchen Glauben schenkt, den Klimawandel für einen schönen Sommer hält, oder gar mit freudiger Erwartung von einer Seenlandschaft südlich von Mönchengladbach träumt, obwohl schon jetzt die Wasservorräte dazu nicht reichen, möge sich die Mühe machen, das epochale Werk des Klimaforschers Hans-Joachim Schellnhuber mit dem bezeichnenden Titel „Selbstverbrennung“ und dem Untertitel „Die fatale Dreiecksbeziehung zwischen Klima, Mensch und Kohlenstoff“ zu lesen. Auf siebenhundertachtzig Seiten kann studiert werden, was eine Überdosis Kohlendioxid mit den Lebewesen auf der Erde macht.

 

Die Verstromung von Braunkohle verursacht 40% des weltweiten CO2-Ausstoßes, elf der schmutzigsten Anlagen betreibt RWE. In den Frühzeiten der Stromversorgung gab es nur die Kohle, heute ist ein sofortiger Ausstieg ohne Einschränkung der Stromversorgung möglich. Man vergleiche den „Abschaltplan für AKW und Kohlekraftwerke“ des BUND.

 

7) Krieg und Frieden

 

Die Fortsetzung des Braunkohleabbaus ist wie jede Zerstörung der Natur ein nicht wieder gut zu machendes Schwerstverbrechen. Es ist ein Krieg in Friedenszeiten. Der militärische Ausdruck, etwas dem Erdboden gleich zu machen, bekommt durch die Kohlebagger eine besondere Tiefe. Naturzerstörung ist ein gigantischer Massenmord an den Tier- und Pflanzenarten des Planeten Erde und sie ist - eine Novität der Kriminalgeschichte - die Ermordung und der Selbstmord der Menschheit in Einem.

 

Allerdings, ob Politiker, die ihre eigenen Lügen glauben, oder Bürger, die sich in selbstverschuldeter Entmündigung, belanglose Freizeitaktivitäten mit politischer Freiheit verwechselnd, zum lethargischen Konsumenten entwürdigen, die Schuld trägt ein Jeder.

 

Die Braunkohle zerstört eine alte Kulturlandschaft mit schönen Dörfern und Gehöften, kein Landesvater, auch die Mutter nicht, besaß den Anstand, die sterbenden Dörfer zu besuchen, kein Verantwortlicher zeigte Mitleid mit einem alten Immerather Landwirt, der unter Tränen nach dreihundertjähriger Familientradition seinen Hof für immer und ewig verlassen muss, um den Rest seines Lebens in einem Neubau zu verbringen, dessen architektonische Uniformität die regionalen Schönheiten nicht ersetzen kann.

 

Das Versagen der Politik ist mannigfach, nachhaltig ist nur die Verlogenheit. Gewerbegebiete verbrauchen immer mehr Natur, nutzen wiederum nur den Konzernen, da kein Arbeitnehmer von den Billiglöhnen leben kann. Und Glyphosat wird mit dem Tod des letzten Regenwurmes in kürzester Zeit Ackerflächen unfruchtbar machen. So wird der bislang vom Neoliberalismus exportierte Hunger in die Heimat zurückkehren. (Übrigens nach der Übernahme durch Bayer nennt sich der Agent-Orange-Hersteller Monsanto nunmehr Twix. Wie einfallslos! Drängt sich doch die Assoziation auf, Twix für einen glyphosatverseuchten Schokoriegel zu halten mit Palmöl und dem Blut massakrierter Orang-Utan-Babys, sauber verpackt in Aluminiumfolie, für den kleinen Hunger der Übergewichtigen.)

 

8) Hoffnung ?

 

Noch vor wenigen Jahren feierte der Historiker Edgar Wolfrum mit einiger Berechtigung die BRD als „geglückte Demokratie“, schließlich ist die BRD, nach dem Experiment von Weimar, der erste demokratische Staat deutscher Nation. Jetzt droht die Gefahr, zu einer feudalherrlichen Oligarchie, beherrscht vom Wirtschaftsfaschismus multinationaler Konzerne, verwandelt zu werden.

 

Parteien, Politiker und die Bürger sollten endlich zur Besinnung kommen, um einen Dialog mit den Nichtregierungsorganisationen zu suchen, denn diese haben die besseren Konzepte für die Zukunft.

 

Abschließend sei eine kleine Geschichte erlaubt:

 

An einem Sommertag des Jahres 2022 will die Bevölkerung eines rheinischen Dorfes trotz der Tropenhitze und gelegentlicher Sandstürme die Tradition der Heimatfeste fortsetzen. Viele Bürger leiden unter Lungenkrankheiten und Depressionen, da die teuren Bergschäden an den Häusern die Gemüter verfinstern. Dennoch, es soll ein schönes Fest werden, viele erinnern sich an die alten Zeiten. Bier und Grillgut sind wegen der hohen Schadstoffbelastung nur noch bei Öko-Betrieben im Münsterland zu kaufen, das Wasser ist quecksilberverseucht, zudem wurden die Wasserrechte an Nestlé verkauft.

 

Am Abend des bescheidenen Festes ziehen Gewitterwolken auf. Der Tornado Armin beendet die Veranstaltung. Zweihundertachtundfünfzig Häuser werden zerstört, neunundsiebzig Bürger verlieren ihr Leben, die Zahl der Verletzten steht noch nicht fest.

 

gez. Kurt Sasserath (Juli 2018)