Die Wacholderdrossel

Im Winter sieht man bei uns Wacholderdrosseln oft in kleineren und größeren Trupps umherschwärmen, um in lichten Wäldern, Parks und großen Gärten nach Nahrung zu suchen, vor allem Beeren.

 

Ursprünglich stammt die langschwänzige bunte Drossel aus der Taiga. Hier im südlichen Niederrhein war sie ein regelmäßiger und häufiger Wintergast. Seit rund 150 Jahren weitet sie ihr Areal stark nach Westen aus und ist inzwischen auch in Mitteleuropa ein Brutvogel. Im Gegensatz zu den meisten anderen Drosselarten, sind Wacholderdrosseln sehr gesellige Vögel. Sie zeigen meistens ein scheues und unruhiges Verhalten. Beim Herannähern von Feinden fliegen sie mit auffallend lauten Tönen, die sich anhören wie ein „Schack, schack, schack,“ schimpfend davon. Deshalb wurde dieser Vogel früher volkstümlich auch „der Schacker“ genannt. Beim Verteidigen ihrer Nist- oder Rastplätze haben Wacholderdrosseln eine besondere Abwehrstrategie, indem sie die sich annähernden Feinde im Sturzflug mit Kot bewerfen. Ihre nahrungsbedingt besonders klebrigen und ätzenden Kotbomben sind für feindliche Vögel wie Krähen, Elstern und Greifvögel nicht ungefährlich, denn sie können das Gefieder der Angreifer so sehr beschmutzen und verkleben, dass diese flugunfähig werden. Auch Menschen, die sich der Brutkolonie nähern, müssen mit gezieltem Beschuss rechnen.

 

Noch bis Anfang letzten Jahrhunderts wurden die im Winter durchziehenden Drosselscharen mit zahlreichen an Bäumen befestigten Rosshaarschlingen in einem sog. Dohnenstieg* gefangen, getötet und damals als Krammetsvögel auf die Wochenmärkte gebracht. Krammet war früher in vielen Gebieten die übliche Bezeichnung für den Holunder, dessen Beeren bei Wacholderdrosseln besonders beliebt sind. Durch das Vertilgen von Holunderbeeren erhält das Fleisch der Vögel einen sehr würzigen und aromatischen Geschmack. Aber nicht nur deshalb schätzten Menschen dieses Fleisch, sondern auch, weil diese Drosseln deutlich mehr Fleischmenge zu bieten hatten als die meisten anderen Singvögel. Wacholderdrosseln legen sich nämlich im Herbst für die kalte Jahreszeit ein regelrechtes Fettpolster an. Es gab zahlreiche Kochbücher mit Rezepten zur Zubereitung der fetten Krammetsvögel. Die Bezeichnung Krammetsvogel wurde bereits im Straßburger Vogelbuch von 1554 erwähnt.

 

* Dohnen sind Singvogel-Fangschlingen, die in großer Anzahl entlang eines Waldpfades an Bäumen befestigt wurden. Diese Waldpfade nannte man Dohnenstiege.

 
Text: Ludwig Winkens, 02/24
Fotos:  Laurentius Ohlig [1,2] und Bernd Hussner [3]

Steckbrief

Größe Körperlänge um 25 cm; Gewicht ca. 100 g
Brut Nisten gerne an Waldrändern oder Waldinseln, die von Grünland umgeben sind in kleinen Kolonien mit bis zu 30 Paaren. Napfförmiges Nest mit 4 bis 5 blaugrünen Eiern.
Vorkommen Feldgehölze, Waldränder, lichte Auwälder, Parkanlagen und große Gärten. Überwiegend in Nordeuropa und inzwischen auch in Mitteleuropa beheimatet
Nahrung Insekten, Würmer und Weichtiere stellen den hautsächlichen tierischen Anteil. Hinzu kommen Beeren verschiedenster Art, wie Holunder- und Vogelbeeren, Hagebutten und Weißdorn.