Der Erlenzeisig

Der sehr lebhafte Erlenzeisig ist bei uns im südlichen Niederrhein ein regelmäßiger Durchzügler und Wintergast. In der kalten Jahreszeit trifft man ihn auf unserem Stadtgebiet besonders in den Bruchauen des oberen Nierstals an, denn die Sämereien der dortigen großen Erlenbestände (daher seine Bezeichnung) sind eine wichtige Nahrungsquelle für den kleinen Finkenvogel.

 

Meistens sieht man bei uns die munteren Vögelchen in recht großen Trupps zwitschernd in Erlen und Birken herumturnen. Klettern ist die Leidenschaft der quirligen Zeisige. Die gewandten Turner hängen oft wie Meisen kopfunter an den dünnsten Zweigen, um die Samenstände der Bäume zu erhaschen. Gelegentlich besuchen sie unsere Futterhäuschen, wie uns dieses Foto aus einem Garten in Günhoven zeigt. Sie klammern sich auch gerne mit mehreren Artgenossen zusammen an Meisenknödel.

 

Bei unseren Vorfahren war der Zeisig mit seinem fleißig und munter vorgetragenen zwitschernden Gesang, der etwas reduzierter sogar im Winter vorgetragen wird, ein sehr beliebter Stubenvogel. Deshalb gehörte er lange Zeit zu den begehrtesten Vogelarten der sog. Vogelstellerei (organisierter Vogelfang) für den damals sogar gewerbsmäßig betriebenen Vogelhandel. Leider werden Zeisige in manchen Regionen auch heute noch illegal gefangen und gehandelt.

 

Tiervater Alfred Brehm schrieb um 1850 über den Zeisig: „Als Stubenvogel empfiehlt er sich sehr. Er ist arglos, zutraulich, gesellig, in gewissem Grade leichtsinnig und gelehrig und eignet sich schon bald allerlei belustigende Kunststücke an. In der Gefangenschaft verschmerzt er alsbald den Verlust seiner Freiheit.“

 

Für den beliebten Käfigvogel hatte man früher noch weitere Bezeichnungen, wie Erlenfink, Zeislein, Strumpfwirker (weil sein Gesang Geräuschen einer handwerklichen Berufstätigkeit des früheren Strumpfwirkers ähnelte). Mundartlich wurde er bei uns „et Zisske“ oder „et Ziisemisske“ genannt.

Eine einst übliche, aber heute in Vergessenheit geratene Redensart lautete: „Er ist ein lockerer Zeisig.“ Damit war ein leichtsinniger Mensch gemeint.

 

Und eine frühere Scherzfrage lautete: „Welchem Vogel ist es immer kalt?“ - „Dem Zeisig; denn er ist hinten eisig.“

 

Text: Ludwig Winkens, 01/24

Fotos: Willi Eckers

 

Steckbrief

Größe Körperlänge ca. 12 cm; Gewicht um 13 g
Nahrung Vor allem Erlen- und Birkensamen, aber auch andere Baum- und Wildkräutersämereien. Zur Brutzeit zusätzlich Insekten, besonders für die Jungvögel
Brut Das Nest wird recht hoch und versteckt auf Nadelbäumen angelegt; 4 bis 6 Eier
Vorkommen Hauptsächlich im östlichen Mitteleuropa, Osteuropa und Skandinavien. Bewohnt bevorzugt lichte Nadelwälder oder Auwälder mit Erlen und Birken. Überwintert in Mitteleuropa und im Mittelmeerraum.
Sonstiges Zeisige trifft man im Winter oft in Trupps gemeinsam mit Stieglitzen an.