Die Schleiereule

mundartlich „de Kerküll“

Die Schleiereule ist ein Weltenbummler und bewohnt neben Europa auch alle anderen Erdteile. In Mitteleuropa ist sie leider sehr rar geworden und gehört zu den bedrohten Arten auf der sog. Roten Liste der gefährdeten Tiere und Pflanzen. Unter den bei uns vorkommenden Eulenarten hat sich die einstige Felsenbewohnerin am engsten dem Menschen angeschlossen und gilt somit als echter Kulturfolger.

 

Im direkten Innenstadtbereich wird man in der Regel keine Schleiereule entdecken können, denn dort findet sie keine geeigneten Jagdgebiete. Eher trifft man die seltene Eule im ländlichen Umfeld von Ortschaften an, wo sie gerne in Scheunen, Stallungen, Kirchtürmen und auf Dachböden lebt. Die in den letzten Jahren fortschreitende Reduzierung ihres Bestandes steht im engen Zusammenhang mit der verstärkten Anwendung chemischer Stoffe zur Wühlmausbekämpfung, aber auch mit der Schließung von Eingangsöffnungen an Kirchtürmen und Dachböden sowie der Modernisierung landwirtschaftlicher Höfe. Zur Jagd verlassen sie erst in später Dämmerung ihren Schlafplatz und werden wegen ihres tiefen Fluges leider verhältnismäßig oft ein Opfer des Straßenverkehrs.

 

Nachts fallen Schleiereulen durch ihre ungewöhnlich gespenstischen Laute auf, die sich wie ein dämonisch fauchendes, zischendes und gellendes Geräusch anhören, was so manchem Menschen nachts einen gehörigen Schrecken eingejagt hat. Vertiefter Aberglaube unserer Vorfahren führte dazu, dass man aus den schaurigen Tönen Hexen, Teufel und Dämonen herauszuhören glaubte. Deshalb stellte man den bedauernswerten Eulen jahrhundertelang intensiv nach und nagelte sie zur Abwehr von Unheil und Bösem an Scheunentore, und zwar lebendig. Umso erstaunlicher, dass andere Zeitgenossen die schöne Eule als Haustier abrichteten. Tiervater Alfred Brehm gab in seinen Aufschreibungen sogar Tipps zum Gelingen einer erfolgreichen Zähmung und Abrichtung von Schleiereulen.

 

Aufgrund der nächtlichen und unheimlichen Lebensweise der Eule ist es nicht verwunderlich, dass sich im Volksglauben und Volksmund zahlreiche Vergleiche, Redensarten und Sprüche manifestierten, wie z.B.: „Ovensjlock, de Kenger noem Bett! Angesch komme di Ühle“ (Abendglocke, die Kinder ins Bett, sonst kommen die Eulen).

Eine weitere Redensart lautete: „Die ess wie enn Üll, die kann et Leech nett verdraare“ (gemeint waren Frauen mit zweifelhaftem Ruf).

 

Bleibt nur zu hoffen, dass die schöne und seltene Eule aller Widrigkeiten zum Trotz auch in Zukunft bei uns weiter überleben kann.

 

Text: Ludwig Winkens, 01/22
Fotos: Willi Eckers

Steckbrief

Größe Etwa Taubengröße, Körperlänge ca. 34 cm, Gewicht um die 300 g
Nahrung Besonders Wühl- und Feldmäuse, seltener Amphibien, Insekten und kleine Vögel.
Brut 4 bis 7 Eier werden direkt auf den Boden in dunklen Winkeln meist alter Gebäude abgelegt. In Jahren mit starker Mäusepopulation oft zwei Bruten.
Sonstiges Langanhaltende Kälteperioden und schneereiche Winter bedeuten für die eher wärmeliebenden und standorttreuen Eulen nicht selten den Hungertod.