Seit dem ersten Jahrhundertsommer hat sich vieles geändert: statt vier Jahreszeiten haben wir jetzt fünf, weil neben dem Sommer die Trockenzeit dazu gekommen ist. Vivaldi´s Vier Jahreszeiten, so ist zu befürchten, sind somit für unsere Regionen endgültig Geschichte geworden.
Die Trockenzeit sollte nicht mit einem „Indian Summer“ verwechselt werden: Dieser ist bekannt für seine heftige Hitze und es gibt ihn nur in den Herbstmonaten. Die Trockenzeit hingegen ist immer eine mehrtägige Hitzewelle, die schnell die 30 Gradgrenze überschreitet. Hinzu kommt ein bedrohlicher Wassermangel.
Im Hardter Wald ist es ab Mitte Juli bis in die zweite Augusthälfte still. Die Pflanzen scheinen in sich zu ruhen und blühen in Erwartung des Regens kürzer. Viele Insekten haben ebenfalls einen kürzeren Lebenszyklus. Die Brombeerhecken im Wald und an den Waldrändern scheinen auf den ersten Blick nicht sehr viel Leben zu beherbergen. Dennoch kriecht mit großer Geschwindigkeit eine Raupe über den Weg auf die Hecke zu. Es ist die Raupe des Zimtbärs, ein bunter Nachtfalter. Die Raupen sind sehr agil und fressen u.a. Brombeerblatter. Sie gucken gerne in die Kamera, zum Glück, und scheinen sich dann über dieses künstliche Auge zu wundern.
Auf den Brombeerblüten sind die Gemeine Waldschwebfliege und der C-Falter auf der Suche nach Nektar. Der Bläuling hat ein anderes Ziel: Pferdemist! Vielen Menschen ist noch nicht bewusst, wie wertvoll diese eingebrachten Nährstoffe gerade für kleine Waldbewohner sind. Biene-Maja-Fans kennen den Mistkäfer und seine Kinderstube, wissen aber nicht, dass erwachsene Schmetterlinge Salz und andere Mineralien aus dem Dung entnehmen. Da Pferde sind keine Wiederkauer sind und viele Bestandteile unverdaut ausscheiden, ist der Dung so wertvoll für die Bewohner der Brombeerhecke. Es gibt sogar bestimmte Pilze, die nur auf Mist wachsen (Struppige Mist-Tintling).
Hier und da findet man die Braunwurz in der Nähe der Brombeerhecken. Die Blüten sind wunderschön, wenn auch mikroskopisch klein. Am Wegesrand kann man in Buchenalleen, aber auch unter anderen Laubbäumen mit etwas Geduld die Breitblättrige Stendelwurz finden. Man hält Ausschau nach den typischen Ordchideeblättern.
Diese kleine Orchidee zu bestimmen, ist nicht so einfach, nicht nur wegen der Größe der Blüten, aber wegen der Variatonsfreudigkeit der Blumen. Die auf dem Foto abgebildete Pflanze ist im Hardter Wald zu sehen. Sie hat grüne Blütenblätter, aber die gleiche Orchideenart könnte in Viersen oder in der Eifel eine gelbe Farbe aufweisen. Alle Orchideen stehen unter Naturchutz, sie brauchen ihren Wald zum Blühen und zum Überleben, umgepflanzt in einen Garten hätten sie kaum eine Chance zu überleben.
In August verfärbt sich die Brombeerhecke gelb. Das sollte man nicht verwechseln mit einem Frühherbst, denn nach einem Regenschauer können die Brombeersträucher bis Ende September neue Blätter ausstreiben. Diese Möglichkeit der Regenerierung ist abhängig von der Länge des Tages. Viele Brombeerfrüchte verursachen in diesem Jahr enttäuschte Gesichter. Sie bleiben wegen der Trockenheit sehr sauer, auch wenn sie es geschafft haben, ihre Farbe vom unreifen Rot zu einem reifen Schwarz zu wechseln. Es fehlt wegen der Trockenheit der gewohnte und beliebte Saft.
Für Igel ist eine Brombeerhecke wegen der Insekten ein regelrechter „Supermarkt“. An den Früchten sind sie nicht interessiert. Für viele Singvögel ist die Brombeerhecken ein geeigneter Ort zur sicheren Aufzucht ihrer Kinder. Das gillt für den Zaunkönig und das Rotkehlchen, aber auch für weniger bekannten Arten wie die Grasmücken. Sind die kleinen Singvögel flügge, streifen sie in Familiengruppen in der Nähe der Hecken umher, immer auf der Suche nach Essbaren mit der Möglichkeit, Feinde zu entfliehen und in den Dornen der Hecke Schutz zu finden. Es ist ihre Zeit des Lernens, Singvögelkinder habe keine Sommerferien! Ende August lösen diese Gruppen sich auf und Alt- und Jungvögel gehen ihre eigene Wege.
Text und Fotos: Caroline Dormans