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Brief an Herrn Stephan Pusch, Landrat des Kreises Heinsberg

Zur Information und zur Erläuterung: Brief unseres Kollegen Michael Straube vom NABU Heinsberg an den Landrat des Kreises Heinsberg Herrn Stephan Pusch.

 

Sehr geehrter Herr Landrat, lieber Stephan,

ich möchte dich herzlich bitten, die Allgemeinverfügung zur Räumung von Lützerath aufzuheben.

 

Die Argumente sind bekannt und wurden gestern noch einmal von Claudia Kempfert vom DIW dargestellt:

  • In den Tagebauen Hambach und Garzweiler (ohne Lützerath) ist genug Braunkohle zu fördern. Dort liegt mehr, als maximal für die Abfederung der Energiekrise benötigt wird. Und es ist auch mehr, als abgebaut werden darf, wenn Deutschland seine CO2-Reduzierung erreichen möchte. (Auch wenn das natürlich nicht nur an Garzweiler hängt.)
  • Die Grundlagen der Berechnung, die Bund und Land nutzen sind falsch. Darin ist ein großer Teil Kohle für die Veredlung eingerechnet. Da die Brikett-Fabrik in Frechen 2022 geschlossen wurde, wird keine Braunkohle aus dem rheinischen Revier mehr für die Veredlung benötigt.
  • Braunkohle ersetzt kein Erdgas. Und die Gasspeicher sind nach Angaben der Bundesnetzagentur ausreichend gefüllt.
  • Dass wir in Deutschland weniger CO2 ausstoßen müssen, ist allen klar. Dabei sind wir auf keinem guten Pfad. Der CO2-Ausstoß in der Energiewirtschaft ist wieder gestiegen, der Verkehr trägt bisher fast nichts zur Reduktion bei und bei der Gebäudesanierung geht es zu langsam voran. Trotzdem wollen wir Vorreiter und Vorbild sein.
  • Um unserer völkerrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen (Paris 2015), müssten wir künftig noch schneller CO2 einsparen (und natürlich andere Quellen von Klimagasen schließen) – was angesichts der deutschen Geschwindigkeit wohl mehr als illusorisch ist.
  • Die Berechnungen der Klimaforscher sind fast richtig. Aber wir kennen die Kipppunkte nicht genau. Der Klimawandel schreitet aber nicht nur scheinbar sondern für jeden offensichtlich schneller voran als prognostiziert.

An Ahr, Erft und Rur 2021 muss ich nicht erinnern, ebenso an die vielen trocken-heißen Sommer.

Und mal ehrlich: es geht teilweise darum, die Ziele mit 50 % Wahrscheinlichkeit zu erreichen. Wer würde ein Auto fahren, wenn die Wahrscheinlichkeit auch nur eines losen Rades 50 % betragen würde?

 

Weiter bestehen Bedenken, dass die Art der Entscheidung zum Weiterbetrieb von Garzweiler II durch die Bundesregierung nicht korrekt waren, sondern der Bund seine Kompetenzen überschritten hat.

Wenn an der Rechtmäßigkeit auch nur irgendwelche kleinen Zweifel bestehen, dürfen hier keine Fakten geschaffen werden.

Ein zweites, gerichtlich kassiertes Hambach darf es nicht geben. Außerdem widerspricht der weitere und derzeit verstärkte Braunkohleabbau dem Urteil des BVerfG zum Schutz künftigerer Generationen.

 

Die Politik verliert damit nicht nur die Jugend sondern auch viele erwachsene, „vernünftige“ Menschen.

 

Dabei geht es nicht darum, den Staat (Rechtsstaat) zu schwächen. Dagegen verwehre ich mich ausdrücklich.

Ich bin in diesem Land, diesem Staat und dieser Demokratie aufgewachsen und ziemlich gut damit gefahren.

Aber es gibt Wichtigeres und vielleicht wird hier Widerstand zur Pflicht. Der Erkelenzer Bürgermeister macht es vor. Der Kreis Heinsberg hat sich ebenfalls lange zeit auch gerichtlich gegen Garzweiler II zur Wehr gesetzt.

 

Es ist an der Zeit, diese Art der Energieerzeugung zu beenden. Gerne würde ich mich bei Flächen-PV engagieren, aber Bund und Land (und Landwirtschaft) verhindern das ja weiter erfolgreich, zumindest das Engagement von Privatleuten.

Meine PV-Anlage ist maximiert, mehr geht nicht, inzwischen fahren wir fast nur noch elektrisch, …

Aber das reicht nicht. Auch nicht weniger Fleisch, nicht fliegen, Gebäudesanierung etc.

 

Und das macht schon verzweifelt. Wenn man nicht weiterkommt und sieht, dass Bund und Land die Weichen nicht entsprechend stellen.

Mit dem Abgraben von Lützerath wird (u.a.) ein zu hoher CO2-Ausstoß zementiert.

Wir bitte soll ich das meinem kleinen Sohn erklären? Wir haben uns bemüht, aber es hat nicht sollen sein?

 

Daher bitte ich dich, dich dafür einzusetzen, dass die Räumung abgebrochen wird. Oder verschoben.

Abgesehen von den Millionen Euro für diesen Einsatz.

Gerne sähe ich meine Steuergelder besser angelegt.

 

Zuletzt ein Gedanke, den ich schon bei einem Termin zur Verlängerung der Sümpfungserlaubnis für den Tagebau Garzweiler geäußert habe, in Gegenwart der Wasserbehörde des Kreises:

RWE muss die Grundwasserzerstörung durch die Sümpfung zumindest minimieren.

Wir hatten im Kreis Heinsberg einen großen Schatz, unser Grundwasser.

Das wird von mehreren Seiten abgegraben: RWE, Wasserwerke, Landwirtschaft (und weitere).

Gleichzeitig sinkt die Grundwasserneubildung. Und das vorhandene Wasser wird durch Dünger und Pflanzenschutzmittel belastet. Schon alleine deswegen müssen die Wasserwerke immer tiefer fördern.

 

Ich glaube, RWE (und alle Behörden die den Tagebau weiter genehmigen), verstoßen gegen die Grundsätze der Naturschutzgesetze:

Erhalt der Leistungsfähigkeit der Natur (und damit der Landschaft und auch der Landwirtschaft)

Selbst wenn die wichtigsten Feuchtgebiete mit aufbereitetem Sümpfungswasser nass gehalten werden, wird die Natur doch großflächig durch sehr niedrige Grundwasserstände geschädigt. Und es muss mehr gewässert werden als ohnehin notwendig. Unseren Wäldern fehlt das Wasser, so dass sie absterben und trotz Neuaufforstungen in den nächsten Jahrzehnten eher weniger CO2 binden werden als im Moment. Von einer höheren CO2-Bindung durch Wäldern sind wir weit entfernt.

Spätestens aufgrund der Trockenjahre muss die Genehmigung zur Sümpfung geprüft und in der vorliegenden Form versagt werden. Soll RWE doch - wie vom NABU und anderen schon 1996 gefordert – auf die tagebaunahe Versickerung umstellen.

Die Kosten müssen uns nicht interessieren.

Abgesehen davon ist doch jetzt schon klar, dass uns das Wasser zur Füllung des Restsees nicht in der benötigten Menge zur Verfügung stehen wird. Trockenheit und die Notwendigkeit der Schiffbarkeit des Rheins sowie evtl. stärkere Trinkwassergewinnung nicht nur aus Uferfiltrat sondern auch aus Flusswasser sind wichtiger, als die Bekämpfung der Folge des Tagesbaus (Füllung Restloch).

 

Ich bitte dich, diesen Punkt einmal ernsthaft im Hause prüfen zu lassen.

 

Viele Grüße

Michael Straube