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Das große Kettensägen-Massaker

In wohl erforschter, keineswegs grauer Vorzeit entwickelte sich aus der Nutzung des Waldes die Kultur der Menschheit und im forstwirtschaftlichen Denken des 18. Jahrhunderts entstanden unsere Vorstellungen von einem nachhaltigen und sozialen Wirtschaften, welches die Natur maßvoll nutzt aber nicht zerstört.

 

In unserer immer grauer werdenden Gegenwart ist die Hälfte aller Wälder des Planeten Erde einem neoliberalen Raubbau zum Opfer gefallen, einer Vergeudung für Massenprodukte, für billige, die Gesundheit gefährdende Nahrungsmittel oder für überflüssige Verpackungen. Wohlmeinende, wissenschaftlich fundierte Vorschläge, wie die Absicht des amerikanischen Biologen Edward O. Wilson, die Hälfte der Erde als Naturschutzgebiet zu schützen, wurden bislang von der Wirtschaft und der Politik ebenso ignoriert wie die Hinweise Peter Wohllebens, dass Erhalt und Renaturierung aller Waldsysteme, ob Regenwälder, mitteleuropäische Laubwälder oder nordische Fichtenwälder, ob sie im Rheinland oder am Amazonas wachsen, mit ihrer Fähigkeit, den Wasser- und Kohlenstoffhaushalt der Erde in einem stabilen Gleichgewicht zu halten, den größten Beitrag zur Überwindung der Klimakrise leisten können.

 

Peter Wohllebens Bemühungen um den Wald sorgten auch für eine wissenschaftliche Bestätigung des uralten, weisheitlichen Wissens der indigenen Völker, insbesondere der nordamerikanischen Indianer, dass jeder Baum und jeder Wald Teil einer großen Lebensgemeinschaft ist. Diese Erkenntnis ist nicht nur eine Bereicherung der Wissenschaft, sie ist auch eine versöhnliche Annäherung an Kulturen, die seit Columbus zum Opfer europäischer Habgier wurden und deren endgültiger Untergang in den Klimakriegen der sehr nahen Zukunft droht.

 

Während der größenwahnsinnige Massenmörder Putin einen imperialistischen Eroberungskrieg versucht, der in voreiligem Optimismus zumindest in Europa als überwunden galt, praktiziert der Ökoterrorist und Völkermörder Jair Bolsonaro aus Gründen der Profitmaximierung die Vernichtung der Wälder am Amazonas und die Ermordung ihrer Bevölkerung. In einer Größenordnung historischen Ausmaßes riskiert der Präsident eines Landes die Vernichtung der Lebensgrundlagen der gesamten Menschheit. Die Kettensäge wird zur Vorhut schwerer Waffen.

 

Neben der Sicherung des Friedens und mit ihr untrennbar verbunden ist ein lokaler wie globaler Naturschutz die wichtigste Aufgabe in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Er duldet keine weitere Verweigerung oder Verzögerung. Die Renaturierung eines Waldes dauert Jahrzehnte und Jahrhunderte, es werden Menschenleben vergehen bis ein industriell erschöpfter Wasserhaushalt eine Versorgung mit Trinkwasser gewährleisten kann, ist aber die Zerstörung so weit fortgeschritten, dass sich eine Landschaft in eine Wüste verwandelt, ohne Bäume, ohne Wasser, ohne die Möglichkeit zur Landwirtschaft, überleben vielleicht Reptilienarten, die Menschheit nicht. Die Uneinsichtigen sollten ihre Hybris überdenken: kommt es auf diesem Planeten zum Aussterben der Insekten und der Spinnen, werden alle anderen Tierarten (und der Mensch ist ein Säugetier) verhungern, stirbt hingegen die Menschheit aus, werden sich alle Biotopsysteme zu dem entwickeln, was die modische, glückverheißende Werbung, unter Missbrauch eines religiösen Begriffes, ein Paradies nennt.

 

Ob es eine Sinngebung des Sinnlosen gibt oder ein Heilsgeschehen oder ob ein Sinn noch gesucht werden muss, es ist nicht zu leugnen, dass der Ablauf der bisherigen Menschheitsgeschichte eine Aneinanderreihung von Gräueltaten ist. Seit Jahrtausenden finden blutrünstige, skrupellose Psychopathen ihren Weg an die Spitze von Staaten und in industrieller Zeit, ob kapitalistisch oder kommunistisch, in die Führungsetagen der Konzerne. Staaten und Konzerne können zu Organisationsformen werden, die Verbrechen in einer Größenordnung ermöglichen, die ein Mensch als Individuum niemals erreichen kann.

 

Und vielleicht ist hier mit der Einbindung der Einzelnen als unabhängige Entscheidungsträger oder organisiert in Verbänden, die keiner Regierung und keinem Wirtschaftsunternehmen verpflichtet sind, die Hoffnung gegeben, Staaten, auch Diktaturen, radikal zu demokratisieren.

„Beteiligt euch, es geht um eure Erde“, rief Erika Mann dem Publikum ihrer „Pfeffermühle“ zu und gut hundert Jahre später fordert Amerikas ältester Intellektueller, der 93jährige Noam Chomsky, die Menschen auf, die Herrschaft von Wenigen zu beenden, um die Vielfalt auf diesem Planeten zu bewahren.

 

gez. Kurt Sasserath